Amsterdamer Vertrag

Amsterdamer Vertrag
1. Charakterisierung: Der  Europäische Rat einigte sich am 16./17.6.1997 in Amsterdam über die Novellierung des EU-Vertrages ( Maastrichter Vertrag); er erlangte zum 1.5.1999 Rechtskraft. Die Neuerungen betrafen alle drei sog. EU-Säulen ( EU); anders als bei den früheren Vertragsreformen überwogen die nicht-ökonomischen Integrationsfelder. Die sog. erste Säule (EU) wurde im Wesentlichen in Gestalt der Neuaufnahme eines Beschäftigungskapitels sowie durch Einfügung des „Maastrichter“ Sozialprotokolls und durch die Einbeziehung des Schengener Abkommens (Freizügigkeit des innergemeinschaftlichen Personenverkehrs) weiterentwickelt. Mit dem Ziel, die weltpolitische Rolle der EU zu stärken, wurden im Rahmen der  GASP (sog. zweite Säule (EU)) einige begrenzte Verbesserungen der außenpolitischen Aktionsfähigkeit der EU erreicht. Zur Verbesserung des rechtlichen Schutzes der (Unions-)Bürger wurde die  Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (sog. dritte Säule) durch eine Reihe von Neuerungen ausgebaut.
- 2. Eine prozedurale Neuerung stellte die Einführung des Prinzips der Flexibilität (nur erste und dritte Säule) dar: Unter Wahrung bestimmter Voraussetzungen wurde es auf der Basis eines einstimmigen Ratsbeschlusses möglich, dass eine Gruppe von EU-Staaten, welche die Mehrheit der Mitgliedsländer umfasst, den restlichen Mitgliedstaaten integrationspolitisch (Vertiefung des Integrationsprozesses) voranschreiten kann. Ausserdem wurde eine Sanktionsmöglichkeit gegen Mitgliedstaaten eingeführt, die eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der Prinzipien und Grundrechte begehen (Art. 7 EUV, durch den Vertrag von Nizza präzisiert).
- 3. Die bedeutendste in Amsterdam erzielte institutionelle Neuerung war die beträchtliche Aufwertung, welche das  Europäische Parlament als Mitentscheidungsorgan erfuhr. Insgesamt blieb jedoch speziell die Reform der EU-Organe sowie die Reform der gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahren weit hinter jenen Erfordernissen zurück, welche eine unerlässliche Voraussetzung dafür sind, dass die EU auch mit 25 bis 30 Mitgliedstaaten funktions- und handlungsfähig ist. Um diesen und anderen vor der Ost-Erweiterung der EU zu überwindenden Mängeln abzuhelfen, wurden vom  Europäischen Rat (Nizza; Dezember 2001) begrenzte Änderungen hinsichtlich der Stimmgewichtung im Europäischen Parlament und der Sitzverteilung im  Rat der Europäischen Union vorgenommen. Ferner wurden die Regeln für sog. qualifizierte Mehrheitsentscheidungen modifiziert (in Kraft ab 1.11.2004) und die Möglichkeiten ihrer Anwendung auf zusätzliche Politikfelder ausgeweitet.

Lexikon der Economics. 2013.

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